Gewaltfreie Zusammenarbeit

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Version vom 18. August 2013, 07:00 Uhr von Michael Klotsche (Diskussion | Beiträge) (Prinzipien der Entscheidungsfindung)

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Mit diesem Leitfaden versuche ich die Prinzipien zusammenzufassen, die sich in meiner beruflichen Praxis bewährt haben. Die Aussagen beruhen auf Erfahrungen und werden zur Zeit gesammelt. Es reicht meiner Erfahrung nach völlig aus, wenn nur ein Teilnehmer eines Projekts diese Richtlinien in die Tat umsetzt. Wenn die anderen Projektteilnehmer sich darauf einstellen, werden sie diesen Leitfaden automatisch in die Tat umsetzen, oder das Projekt gar nicht erst beginnen.


Prinzipien

Freiheit bedeutet, "Nein" sagen zu können und dieses "Nein" auch durchsetzen zu können.
  • Die Freiheit des anderen soll akzeptiert werden.
  • Die eigene Freiheit muss unter allen Umständen erhalten und geschützt werden.
  • Die Freiheit des anderen ist ein Prüfkriterium für das eigene Handeln.
  • Das eigene Glück von anderen abhängig zu machen, sollte vermieden werden.
  • Ausweglose Situationen oder Situationen, an denen nur wenige Handlungsoptionen bleiben, sollten so früh wie möglich unter allen Umständen vermieden werden.
  • Dieser Leitfaden ist dann wirksam, sobald eine Person danach handelt.
  • Das Konzept der Schuld wird abgelehnt. Niemand schuldet einem anderen Menschen etwas.
  • Es wird angenommen, das fast alle Menschen aus ihrer Sicht gutes tun und Leid vermeiden wollen. Dabei kommt es oft vor, dass sie in ihrer Umgebung massiven Schaden verursachen. Deshalb ist es wichtig, dass jeder einzelne Mensch möglichst wenig Möglichkeiten hat, großen Schaden anzurichten.
  • Gewalt wird, außer zur Selbstverteidigung, abgelehnt.
  • Formen der Gewalt:
    • Physische Gewalt wie z.B. Schlagen, Boykottieren, Aushungern, Bestechen.
    • Psychische Gewalt in Form von Bedrohen, Verhöhren, oder Manipulation durch Schmeicheleien oder Lügen.
  • Es wird angenommen, dass Menschen dazu neigen, Gewalt als Mittel einzusetzen, um leidvolle Umstände zu vermeiden und die Konsequenzen der leidvollen Umstände anderen Menschen aufzubürden, weil dieser Weg für den, der die Macht ausübt, kurzfristig den geringsten Aufwand darstellt.


Entscheidungsfindung

Prinzipien der Entscheidungsfindung

  • Wer schweigt stimmt zu.
  • Wer nicht zustimmt kann jederzeit die Kooperation verweigern.
  • Wer zur Zusammenarbeit gezwungen wird, kann denjenigen boykottieren, der die Zusammenarbeit erzwingen will. Hier ist es ratsam, nach dem Grund für den Boykott zu fragen. Boykott hat fast immer einen Leidensdruck als Ursache.
  • Mehrheitsentscheidungen sind nicht relevant.
  • Die Grundlage aller Entscheidungen ist das naturwissenschaftliche Experiment.
  • Der Boykott desjenigen, der viel beiträgt wiegt aus physikalischen Gründen schwerer als der Boykott desjenigen, der wenig oder nichts beiträgt.
  • Entscheidungen sollten sachorientiert auf Grundlage von Experimenten getroffen werden und nicht aufgrund von Meinungen.
  • Jeder sollte immer danach fragen, was er will und die eigenen Forderungen den anderen mitteilen.
  • Aussagen können von einer Person nur dann als wahr angenommen werden, wenn die Person die zu Grunde liegenden Experimente selbst reproduzieren kann. Alle andere kann wahr sein, muss es aber nicht.


Konfliktlösung

  • Eine Bitte sollte immer als Bitte verstanden werden, ganz gleich, ob sie ruppig oder feinfühlig formuliert wurde. Eine Bitte ist oft ein Zeichen dafür, dass derjenige, der die Bitte äußert einen leidvollen Umstand erfährt, oder einen leidvollen Umstand erwartet.
  • Befehle sollten aus Prinzip abgelehnt werden, weil sie eine Form der Gewalt darstellen.
  • Wird eine Bitte nicht erfüllt, kommt es zu einem Konflikt.
  • Konflikte haben ihre Ursache meist in Gegebenheiten, die bei einem Menschen Leid verursachen. Diese Ursachen können offensichtlich sein oder so subtil, dass sie nur schwer erkannt werden können.
  • Konflikte lassen sich nicht durch Kompromisse lösen oder dadurch, dass ein Projektteilnehmer einem anderen gehorcht und die Konsequenzen der Leid verursachenden Umstände erträgt.
  • Konflikte lassen sich nur dadurch lösen, indem die Ursachen des Konflikts, wie z.B. Ressourcenmangel, auf materieller Ebene beseitigt werden.
  • Lassen sich Konflikte nicht lösen, ist es sinnvoll, das Projekt in unabhängige Projekte aufzuspalten.


Vereinbarungen, Gesetze, Regeln

  • Vereinbarungen und Verträge werden nicht getroffen und auch nicht akzeptiert.
  • Vereinbarungen sind nichtig, auch dann, wenn sie in der Vergangenheit getroffen wurden. Viele Vereinbarungen wurden in der Vergangenheit durch Existenzangst und Zwänge erpresst.
  • Zusagen sollten nur dann getroffen werden, wenn sie ohne große Anstrengungen erfüllt werden können.
  • Zusagen sollten eingehalten werden, weil bei Nichteinhalten von Zusagen meist Schaden entsteht. Können Zusagen nicht eingehalten werden, sollte man dies den anderen so früh wie möglich mitteilen.
  • Es gibt keine allgemeingültigen Gesetze.
  • Richtlinien sind lediglich dazu da, um Komplexität zu bewältigen und den Suchraum einzugrenzen. Sie dürfen niemals ein Mittel zur Herrschaft sein.
  • Unter keinen Umständen dürfen Knebelverträge unterschieben werden. Man darf nicht vergessen, dass jedem Projektteilnehmer unter Umständen die Staatsgewalt zu Verfügung steht. Mit Hilfe der Staatsgewalt kann jemand auf die Einhaltung von Verträgen bestehen. Der Boykott, der dann zur Abwehr der Staatsgewalt nötig ist, kann sehr kräftezehrend sein und die geschaffenen Ressourcen zerstören.
  • Anstatt Gesetze und Verträge zu schreiben, ist es besser darüber nachzudenken, welche Konsequenzen aus dem eigenen Handeln folgen. Das Prinzip von Ursache und Wirkung ist das, was übrig bleibt, wenn man alle Gesetze und Verträge bei Seite schiebt. Dabei kann es auch hilfreich sein, sich darüber im Klaren zu werden, was man wirklich will. Dabei ist es wichtig, sich stets in Wechselwirkung mit anderen Menschen und mit der Umwelt zu sehen.
  • Wenn man sich darüber im Klaren ist, was man will, ist es wichtig, dies anderen Menschen mitzuteilen, so dass Projekte so gestaltet werden, dass sie allen Teilnehmern ein gutes Leben und das Streben nach Glück ermöglichen.


Lebensgrundlagen

  • Projekte sollen stets Lebensgrundlagen erschaffen.
  • Lebensgrundlagen sollen gepflegt und gestärkt werden.
  • Projekte müssen vor Projektbeginn so geplant werden, dass genug Erträge daraus resulieren, so dass alle davon leben können und das bekommen, was sie sich von dem Projekt erwarten.
  • Projekte sollen gründlich geplant werden und vor Projektbeginn auf physikalisch-technische Machbarkeit geprüft werden.
  • Unangenehme, Schwere und gefährliche Arbeiten sollen durch Maschinen durchgeführt werden.
  • Es ist ratsam, hilfsbereit zu sein und die Hilfsbereitschaft auf die Grundlage der Arbeit von Maschinen aufzubauen.
  • Überschüsse aus Projekten sollten in Lebensgrundlagen investiert werden.
  • Anderen Schaden zuzufügen sollte so weit wie möglich vermieden werden.


Umgang mit Fehlern und Misserfolg

  • Bei Fehlern keinen Schuldigen suchen, niemanden verurteilen und niemanden bestrafen.
  • Fehler haben fast immer die Ursache in Situationen, die Fehler begünstigen.
  • Wer von einer Sache keine Ahnung hat, soll bezüglich dieser Sache keine Entscheidungen treffen.


Geben und Nehmen

  • Basis der Zusammenarbeit ist die Stundenaufschreibung. Die Stundenaufschreibung hat den Zweck, dass jeder für sich selbst erkennt, ob die eigenen Arbeitsstunden angemessen vergütet werden können oder ob langfristig eine Verarmung droht. Wenn eine schlechte Vergütung der Arbeitsstunden absehbar ist, sollte der betreffende dies so schnell wie möglich den anderen Projektteilnehmern mitteilen, damit der Projektablauf dementsprechend angepasst werden kann.
  • Geben und Nehmen müssen für jeden selbst im Gleichgewicht stehen. Deshalb ist es wichtig, sich nach dem Aufwand einer erhaltenen Leistung zu erkundigen und gleichzeitig anderen den Aufwand für eine erbrachte Leistung mitzuteilen.
  • Arbeitsstunden sollen nicht gegeneinander aufgerechnet werden und dürfen niemals die Grundlage von Machtausübung sein.
  • Das was gegeben und das was genommen werden soll, sollte vor Projektbeginn festgelegt bzw. abgeschätzt werden.


Dinge, die die Zusammenarbeit fördern:

  • Wissen teilen.
  • Streben nach Erkenntnis und Wissen.
  • Verbessern der eigenen Fähigkeiten.
  • Fördern von Kunst und Musik.
  • Auf die eigene Gesundheit achten.
  • Streben nach Glück.
  • Nicht lügen und stehlen.
  • Die Privatsphäre des anderen schützen.


Gründen eigener Solidargemeinschaften

  • Es ist Sinnvoll, wenn Techniker dezentrale Solidargemeinschaften gründen, um sich gegenseitig finanziell unterstützen zu können. Auf diese weise können sich Techniker leichter gegen die Aushungerungstaktik von Auftraggebern wehren, aber auch andere Härten des Lebens mildern.
  • Zur Realisierung der Solidargemeinschaft legt jeder monatlich einen Geldbetrag bei sich auf die Seite. Jeder legt so viel auf die Seite, wie er möchte, ohne den genauen Betrag anderen mitzuteilen.
  • Um einen Richtwert für die Höhe des zur Seite gelegten Geldes zu bekommen, könnte man sich überlegen, dass das direkte Umfeld einer Projektgruppe im Netzwerk in der Lage sein sollte, der Projektgruppe für zwei Monate das Überleben zu sichern. Je mehr kleine Projektgruppen ein Netzwerk hat und je größer das Netzwerk ist, desto weniger Geld muss auf die Seite gelegt werden. Meiner Erfahrung nach sollte die Größe der Projektgruppen und die Größe des Netzwerkes so aufeinander abgestimmt sein, dass die Geldmenge, die Seite gelegt werden sollte, ein Monatsgehalt nicht überschreitet.
  • Wenn ein Hilferuf eines Mitglieds der Solidargemeinschaft eintrifft, schauen sich die Mitglieder der Solidargemeinschaft den betreffenden Fall genau an und helfen dem Notleidenden erst mal, damit die Notlage entschärft wird.
  • Wichtig ist, nach der Hilfeleistung gemeinsam mit dem von der Notlage betroffenen so schnell wie möglich die Ursache der Notlage zu ermitteln und zu beseitigen. Alle Mitglieder der Solidargemeinschaft sollten aus den Notlagen der anderen lernen und selbst Maßnahmen ergreifen, damit sich derartige Notlagen nicht wiederholen.
  • Jeder hilft nach eigenem Ermessen. Es besteht keine Pflicht zur Hilfe.
  • Die Hilfszahlungen sollten nach Möglichkeit irgendwann zinsfrei zurückgezahlt werden.



Warum ist Freiheit so wichtig?

  • Um es noch einmal klar zu stellen: Freiheit bedeutet, "Nein" sagen zu können und dieses "Nein" auch durchsetzen zu können. Freiheit bedeutet nicht das zu tun, wonach einem gerade der Sinn steht. Freiheit bedeutet auch nicht, zwischen vorgegebenen Möglichkeiten wählen zu können.
  • Freiheit ist keine Erscheinungsform der Eitelkeit. Freiheit ist eine Notwendigkeit, damit das komplexe System der Gesellschaft überhaupt funktionsfähig ist. Das gleiche gilt auch für Unternehmen, Familien, Freundeskreise und Partnerschaften.
  • Ich möchte die Funktionsweise von Freiheit an einem Beispiel näher erläutern:
    • Angenommen ich arbeite in einem Projekt mit. In diesem Projekt wirken direkt auch andere Teilnehmer mit. Indirekt wirken noch viel mehr Menschen mit, wenn man die ganzen Zulieferer und Abnehmer betrachtet, aber auch das gesamte soziale Umfeld aller Projektteilnehmer.
    • Betrachte ich nun das Projekt, betrachte ich gleichzeitig alle Unternehmen und alle Menschen, die auf irgendeine weise mit dem Projekt in Wechselwirkung stehen. Gehe ich den Gedanken weiter, so betrachte ich im Grunde genommen die ganze Welt.
    • Um das Projekt in seiner gesamten Komplexität zu erfassen, reicht ein einziges menschliches Gehirn nicht aus. Die Gehirne aller Menschen, die mit dem Projekt in Wechselwirkung stehen, erfassen das Projekt vermutlich relativ genau.
    • Wenn ich eine Entscheidung treffe, muss ich das Projekt in seiner Gesamtheit erfassen können. Die Frage ist nun, wie ich es schaffe, dass das Wissen aller Menschen mir für meine Entscheidungen zu Verfügung steht.
    • Durch die Freiheit aller Menschen, die mit dem Projekt in Wechselwirkung stehen, kann ich erreichen, dass mir das Wissen und die Beobachtungen aller Menschen zu Verfügung stehen.
    • Wenn ich eine Entscheidung treffe, wird eine Kette von Wechselwirkungen in Gang gesetzt. Verursacht meine Entscheidung keinen Schaden sonder eher Nutzen, wird sich wahrscheinlich niemand meiner Entscheidung und seiner Auswirkungen verweigern. Entsteht aber irgendwo Schaden und ein Mensch verweigert sich der Auswirkung der Entscheidung, wirkt sich das wiederum auf mich aus. Auf diese Weise erhalte ich Informationen über den Schaden, den meine Entscheidung anrichtet.
    • Verursacht meine Entscheidung Schaden, so liegt es an mir, meine Entscheidung nachzubessern.
  • Wenn ich in meinen Projekten keine Freiheit zulasse, ist das Projekt genau so intelligent wie ich. Meine Intelligenz reicht zwar aus, damit ich weiß, was ich Essen kann und in welche Körperöffnung ich es reinstecken muss, wie ich meinen Körper pflege, wo ich meine Haushaltsgegenstände finde, wo ich gerade bin, wie ich meinen Computer nutze, das war es aber schon. Wenn ich mir das so ansehe frage ich mich: Möchte ich wirklich, das mein Projekt so intelligent ist wie ich?